Gruppierungen

 

Die erste Spaltung des Islams war das Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen dem Khalifen Alī und (656-661) und seinem Kontrahenten Mu'āwiya.
Der vierte Khalif Alī (656-661) ist der Vetter Muhammads und Ehemann seiner Tochter Fātima. Mu'āwiya ist anfänglich Statthalter Syriens mit Sitz in Damaskus. Später erster Khalif der Dynastie der Umayyaden.
Damals trennten sich die Khāridjiten von Alī und von Mu'āwiya gleichermaßen.
Die Sunniten, welche die Mehrheit der Muslime stellen, erkannten die Regierung der Umayyaden an.
Die dritte Gruppe, die Shī'iten, ergriffen Partei für Alī.

 

Khāridjiten

Sie lehnen jegliche familiäre oder stammesmäßige Bevorzugung bei der Auswahl des Kalifen strikt ab. Die Khāridjiten fordern, das die Führung der Gemeinschaft vom besten, würdigsten und frömmsten der Gläubigen übernommen wird. Alle anderen Gesichtspunkte spielen für sie bei der Auswahl des Khalifen keine Rolle, auch wenn dieser Nichtaraber oder ein Sklave wäre.
Die Khāridjiten zählen heute etwa 1,5 Millionen. Die Großteil davon lebt im heutigen Oman (1,2 Millionen), aber auch in algerischen Mzab, auf der tunesischen Insel Djerba und in Lybien findet man, die auch als Ibāditen bezeichnete Glaubensrichtung.

 

Sunniten

Die Sunniten stellen die mit Abstand größte Gruppe der Muslime. Die Sunniten vertreten nach ihrem eigenen Selbstverständnis die Orthodoxie in Glaubensfragen. Das heißt, ihre Interpretation hält sich stark an die ursprüngliche Interpretation. Eine flexible Weiterentwicklungen und Anpassungen an veränderte Verhältnisse wird abgelehnt. Der Kalif soll vom Stamm des Propheten abstammen und fähig sein die Gemeinschaft nach Recht und Gerechtigkeit zu führen. An das Amt des Kalifen sind daher keine besonderen Tugenden, keine hervorragenden moralischen Qualitäten als unabdingbare Bedingung geknüpft.
Die Sunniten zählen mit Abstand zur größten Gruppe der Muslime. Mit Ihren 800 Millionen Muslime weltweit stellen die Sunniten in den meisten islamischen Ländern die Mehrheit. Ausnahmen bilden hier nur der Iran, Irak, und Aserbaidschan, in dennen die Schiiten die Überzahl bilden, sowie Bahrain,Jemen, Oman und Libanon.

 

Schiiten (Shī'iten)

In der Auseinandersetzung zwischen dem Kalifen Alī und Mu'āwiya ergriffen damals die Schiiten (Shī'iten) Partei (shī'a) für Alī und seiner Familie (seine Frau Fatīma, der Tochter Muhammads und seinen beiden Söhnen Hasan und Husayn) sowie deren weiteren Nachkommen. Den wichtig für die Schiiten ist die Frage, wer die religiöse Führungsrolle des Gesamtleiters der Gemeinschaft übernehmen soll. Die Schiiten halten damit für das Amt des Kalifen am Grundsatz der blutmäßigen Abstammung von Muhammad fest. Somit betrachten die Schiiten Ali, den Schwiegersohn und Vetter des Propheten Muhammads, als dessen designierten Nachfolger und als ihren ersten Imām.
Der Imām ist in seinem Amt und in seinen religiösen Kenntnissen Nachfolger Alīs, die dieser nach schiitischer Auffassung, dank einer besonderen Einweihung durch den Propheten Muhammad und einer besonderen Erleuchtung von Gott erhalten hatte.

 

Die Unterschiede zwischen den beiden islamischen Gruppierungen der Sunniten und der Schiiten, entsprangen anfänglich der Frage, wer die Gemeinschaft der Muslime leiten soll. Daraus entstand bei den Sunniten das Kalifat, bei den Schiiten bildete sich das Imamat heraus. Der größte theologische Unterschied besteht darin, dass die Schiiten nur den Koran, die Sunniten aber auch die Sunna anerkennen.
Die Schiiten lebten vornehmlich in der politischen Opposition und wurden immer wieder Gegenstand von Verfolgungen. Es ist ihnen nicht gelungen, für längere Zeit einen eigenständigen Staat zu bilden. Beide Konfessionen bekämpfen sich bis heute in einigen Ländern wie Irak oder Indien teilweise blutig.

Quelle: Adel Th. Khoury, Der Islam, Freiburg im Breisgau, 1988